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    Globalisierungsprozesse sind real - aber nicht unabänderlich

Seminar-Resümees

Dem Wort "Globalisierung" den Schrecken nehmen

Globalisierungsprozesse sind real - aber nicht unabänderlich

Das „böse G-Wort“ macht die Runde: Globalisierung ist seit den 1980-er Jahren sowohl zur Drohkulisse, zum verheißungsvollen Versprechen und zum allgewaltigen Erklärungsgrund bei der Beschreibung vielfältigster Problemlagen geworden. In diesem Prozess wurde der Begriff durch seine inflationäre Verwendung zunehmend sinnentleert.
Dennoch: Auch wenn Globalisierung oft in falschen Zusammenhängen verwendet wird und zur verkürzten Beschreibung zahlreicher Krisen in Staat und Gesellschaft Verwendung findet, so handelt es sich doch um eine reale Erscheinung moderner Gesellschaften. Mehr noch: Globalisierung in diesem Sinne ist konstituierendes Merkmal menschlichen Zusammenlebens seit Beginn an und insofern nicht neu, vielmehr heute anders zu bewerten.

Das Seminar streift die Gründe für Globalisierung nur peripher. Sie sind zu allen Zeiten in der Erweiterung des ´Interaktionsradius’ der Menschen zu finden und in technischen Entwicklungen (heute z.B. Kommunikationstechnologien) begründet. Die Bewertungskriterien der heutigen Folgen von Globalisierung haben sich allerdings nachhaltig verändert. Ziel ist das Verstehen globaler Interdependenzen und das Entwickeln persönlicher Handlungsmuster.

Zielgruppe(n)/Referent(en): Bei dem Angebot handelt es sich um ein Pilotseminar und eine neuerlicher Schwerpunktsetzung des Hauses Brannenburg im Bereich „Internationales“. Der Baustein „Arbeit ohne Grenzen?“ ist der erste Teil einer dreigliedrigen Seminarreihe und eng mit zwei ergänzenden Angeboten „Geld regiert die Welt – Internationale Finanzpolitik im Zeichen der Globalisierung“ sowie „Völker hört die Signale – Internationale Herausforderungen für die Arbeitnehmer-Organisationen“ verbunden.
Das in hauseigener Regie konzipierte Seminarangebot richtet sich sowohl an Mitglieder und Nicht-Mitglieder der Gewerkschaft ver.di.
Als Referenten für dieses Pilotprojekt wurden Reinhard Ruch und Alfred Schelhas gewonnen, die beide über fundiertes Wissen in den Bereichen Internationalisierung und Globalisierung verfügen.

Ablauf: Das fünftägige Seminar setzt zunächst an einer Klarstellung von Begrifflichkeiten an. Die Erfahrungen zeigen, dass alle Prozesse mit internationalem Charakter automatisch dem Begriff Globalisierung zugeordnet werden. Im öffentlichen Diskurs finden sich in der Regel keine politikwissenschaftlichen Erklärungen, sondern lediglich Wahrnehmungsbeschreibungen. Für eine fundierte Auseinandersetzung sowohl innerhalb des Seminars als auch vor Ort sind darüber hinaus Dimensionen von Globalisierung zu beschreiben. Die Teilnehmer/-innen des Seminars erarbeiten deshalb politische, ökonomische, kulturelle, finanzpolitische, ökologische oder soziologische Aspekte des Begriffs, bevor im Anschluss daran einzelne Sichtweisen geopolitischer Akteure zusammengetragen und hinterfragt werden.
Wenn Globalisierung also ein dem Menschen und seiner Entwicklung innewohnendes Phänomen ist, kann es auch durch diese beeinflusst werden. Naturgemäß finden in dieser Auseinandersetzung gesellschaftliche Positionen ihren Niederschlag: Wirtschaftsverbände, Finanzinstitutionen und Gewerkschaften haben unterschiedliche Sichtweisen über den Umgang mit den Erscheinungen der Globalisierung und die Interventionsmöglichkeiten.
Das Seminar will vermitteln, dass es einerseits sehr wohl „Stellschrauben“ gibt, die die Folgen von Globalisierung für alle Betroffenen in nützliche Bahnen lenken kann – andererseits einen Generalblick auf internationale Prozesse ermöglichen, der politische Zusammenhänge, Konstellationen der Macht und Ursache-Wirkung-Prinzipien transparent macht. Nur so kann insbesondere neoliberalen Tendenzen entgegen gewirkt werden, die von einer „so Gott gegebenen Ordnung“ ausgehen.
Schließlich führt das Seminar in den Begriff „Solidarität“ in Zeiten der Globalisierung ein. Die Teilnehmenden sollen erkennen, dass Solidarität und Unterstützung für die Globalisierungs-Verlierer (hier vor allem die Länder der so genannten Dritten Welt) zwar vorbehaltlos zu unterstützen ist – andererseits klar sein muss, dass auch eigene Besitzstände und (gewerkschaftliche) Errungenschaften nicht unhinterfragt weiter bestehen können. Eine Angleichung der Lebensverhältnisse weltweit beispielsweise kann aus mehreren Gründen nicht zwangsläufig die Übernahme aller Sozial- und Sicherungssysteme der Bundesrepublik Deutschland durch andere Staaten bedeuten.

Resümee/Ausblick: Das Pilotseminar greift eine für den gewerkschaftlichen Bildungsbereich aktuelle Debatte auf: Wie kann Gleichheit hergestellt werden, die die Leistungsfähigkeit aller System überfordert und letztlich zum Schaden der Beteiligten ist? Die Auflösung des Konflikts liegt in der Vernetzung und Bündelung von Interessen – bewusst im Gegensatz zu neoliberalen Anschauungen der Alleinverantwortlichkeit des Individuums.
Das Brannenburger Seminar setzt bei Befürchtungen von Arbeitnehmern an, die Arbeit und Kapital zunehmend als international und in diesem Sinne austauschbar und beliebig wahrnehmen.
Neben den Gefahren, die durch Fehldeutung, Verkürzung und Simplifizierung des Begriffs Globalisierung liegen, sollen auch Chancen erkannt werden: Internationale Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch, neue Solidarität und Vernetzung. Globalisierung zu begreifen heißt, zu verstehen, dass Zeit und Raum zunehmend bedeutungslos werden. Darin liegt nicht immer ein Gewinn für Arbeitnehmer/-innen. Für die Lösung aller mit Globalisierung beschriebenen Probleme existiert kein Königsweg – auch darin liegt ein symptomatischer Befund.
Das Seminar ist insofern ergebnisoffen. Der Gewinn, den die Teilnehmenden daraus ziehen sollen, liegt vielmehr im Durchschauen von Wirkungszusammenhängen und einem offenen Diskurs über die Zukunft dieser Gesellschaft. Dieser werkstatthafte Charakter ist Methode und Ziel des Seminars zugleich.

Aus dem Seminar:
  • Arbeit ohne Grenzen? Auswirkungen der Globalisierung auf Weltmarkt und Arbeitsplätze


Weitere Informationen:
Haus Brannenburg
Pädagogische Leitung
Frau Marion Fendt
Fon: 0 80 34.9 05 - 1 40
Fax: 0 80 34.9 05 - 1 46
marion.fendt@verdi.de


(Marko Junghänel, 11.02.2005)