Bühnenteaser

  • Berichte - Was war:Konzessionen und kein Ende?

Konzessionen und kein Ende?

Alternativen zur ewigen Fortsetzung der Niederlagen: neue & alte Arbeitskampf- und Organisierungsformen inner- und außerhalb des Betriebs

Seminar von AFP/express-Redaktion in Kooperation mit Labournet Germany

Die Konkurrenz- und Wettbewerbslogik scheint nur ein Prinzip zuzulassen: „There is no Alternative“. Dem ökonomischen Druck auf der einen Seite entspricht dabei eine auch in Gewerkschaften und Belegschaften weit verbreitete Ratlosigkeit, wie diesem Druck begegnet werden kann – bis hin zu dessen Akzeptanz als unveränderlicher Rahmenbedingung gewerkschaftlicher und gesellschaftlicher Praxis.

Doch es gab und gibt immer ein Ende der Fahnenstange, und es gibt auch in scheinbar aussichtsloser Lage Alternativen zur Konzessionslogik. Oft werden sie in Arbeitskämpfen ‚von unten’, aus den Belegschaften heraus bzw. mit ihnen entwickelt. In der Auseinandersetzung verbinden sich dabei demokratisierende Elemente, soziale Lernprozesse und die Verschiebung von Rahmenbedingungen zu neuen sozialen Erfahrungen und Kompetenzen. Und um die geht es uns! Erfolgreiche Arbeitskämpfe setzen nicht nur die Einbeziehung der Beschäftigten und die Suche nach neuen Bündnispartnern voraus, sie bedeuten auch mehr Selbstbewusstsein und Stärke für die Beschäftigten und letztlich mehr gewerkschaftlichen Einfluss gegen und auf die „Agenda der Unternehmen“. In dem Seminar sollen neue und alte Formen des Widerstands und phantasievoller Umgang mit diesen Problemen (wieder-) entdeckt sowie Erfahrungen aus dem Ausland fruchtbar gemacht und so Alternativen zur ewigen Fortsetzung der Geschichte der Niederlagen und zugleich Schritte zu einer emanzipatorischen Praxis diskutiert werden.

In der jüngeren Vergangenheit gab es eine Reihe von zum Teil aufsehenerregenden Arbeitskämpfen, an die wir dabei anknüpfen wollen:
  • Allen voran der Streik im Öffentlichen Dienst, der als „Offensive in der Defensive“ mit und von vielen bis dahin völlig streikunerfahrenen Beschäftigten geführt wurde.

  • Der Aus- und Aufstand gegen einen „Heuschrecken“-Multi: 80 Gate Gourmet-Beschäftigte streiken monatelang gegen permanente Arbeitsintensivierung und für „Menschenwürde“.

  • Accor/Arcade, McDonalds, EuroDisney u.a.: Ein „Solidaritätskollektiv“ unterstützt Organisierungsversuche von prekär Beschäftigten, meist MigrantInnen, in gewerkschaftlich nicht organisierten Betrieben und Sektoren Frankreichs

  • Der Hungerstreik bei Panasonic für den Erhalt von Arbeitsplätzen

  • Bei Siemens-München „bildet“ sich ein „Mitarbeiternetzwerk“ gegen „sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau“

  • LIDL und Schlecker: gewerkschaftliche Druckkampagnen für die Organisierung von Beschäftigten und menschenwürdige Arbeitsbedingungen

  • Phantasievoll und demokratisch gegen gespaltene Belegschaften und Outsourcing: MitarbeiterInnenbefragungen, Betriebsversammlungen, Infostunden gegen „Tarifverträge 2. Klasse“ bei DC Stuttgart


In diesen und weiteren ungewöhnlichen Arbeitskämpfen lassen sich nicht nur alternative Kampfformen im, sondern auch zum Streik zeigen. Dass und warum es dieser neuen Ansätze bedarf, hat vielfältige Ursachen, die zugleich typisch für „moderne“ Arbeitsverhältnisse sind: „Weiße Flecken“ in der Gewerkschafts- und Tariflandschaft, unerfahrene Belegschaften, Vereinzelung, Ängste, Vorbehalte unter den Beschäftigten, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Privatisierung, Outsourcing, Gewerkschaftskonkurrenz. „Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will...“ – der wohlgemeinte Appell an die Streikbereitschaft ist zu einfach und geht an diesen Problemen vorbei, gewerkschaftliche Routinen greifen deshalb oft nicht mehr. In dem Seminar wollen wir nicht nur Gründe für die Grenzen traditioneller gewerkschaftlicher Kampfformen anhand ausgewählter Branchen, Unternehmen und Beschäftigungsformen analysieren, sondern auch Voraussetzungen und Ansatzpunkte für neue Elemente und Formen des Arbeitskampfs inner- und außerhalb der Betriebe und Unternehmen entwickeln:

  • Ziviler Ungehorsam – die Politik der Verweigerung oder: auch mit geringen Mitteln viel erreichen

  • „Anders Arbeiten für das gleiche Geld“: Dienst nach Vorschrift, Slow down, Bummelstreik

  • „Un-Strike“: wenn man nicht streiken kann oder darf

  • Kampagnen und Boykotts: Soziale Netzwerke, Bündnisse, Bürgerinitativen: ProduzentInnen, KonsumentInnen und prominente PatInnen gemeinsam gegen Konzerne

  • Betriebliche und lokale Ideenwerkstätten zu Betriebszielen und Unternehmenspolitik: Enteignung und Aneignung von ProduzentInnen-Wissen und -Erfahrung

  • Betriebsbesetzungen und Belegschaftseigentum: Erfahrungen mit dem „Mittel der letzten Wahl“

  • „Du darfst“ – ein Recht auf Arbeitskämpfe und Streiks?, oder: Es geht mehr, als man denkt: Rechtliche Aspekte neuer Arbeitskampfformen: Boykotte, Sozialtarifverträge für die Streikfähigkeit, Solidaritätsstreiks, Streiks von 1-Euro-Jobbern und „Arbeitnehmerähnlichen“ u.v.m.


Nicht nur der Streik im Öffentlichen Dienst, auch die laufende Auseinandersetzung bei LIDL, Schlecker & Co, die Aktionen von Erwerbsloseninitiativen anlässlich der Einführung von Hartz IV und V oder die Kampagne des Kolumbien-Netzwerks gegen Coca Cola machen deutlich, dass Arbeitskämpfe nicht (mehr) nur eine Sache einzelner Belegschaften, Berufsgruppen oder Branchen sind, sondern gesellschaftliche Ursachen haben – und insofern längst keine „Privatangelegenheit“ mehr sind. Neben der intensiven Beschäftigung mit exemplarischen Arbeitskämpfen und Arbeitskampfformen wollen wir uns in dem Seminar deshalb auch mit der Frage befassen, ob und inwiefern wir es bereits mit einer Vergesellschaftung von Arbeitskämpfen zu tun haben bzw. worin diese bestehen könnte. Das schließt die Frage mit ein, in welchem Verhältnis Gewerkschaften und Parteien in solchen Auseinandersetzungen stehen, was Politisierung für die Beteiligten bedeutet, und welche Anforderungen an eine Vernetzung in der Linken und in den sozialen Bewegungen sich hieraus entwickeln lassen.

Das Seminar richtet sich an linke GewerkschafterInnen und VertreterInnen aus den sozialen Bewegungen, die an einer gemeinsamen, gewerkschaftsübergreifenden Weiterentwicklung bestehender praktischer Ansätze gegen die Konzessionslogik interessiert sind.

ReferentInnen:
Anton Kobel (ehem. Geschäftsführer HBV/ver.di Mannheim)
Uli Wohland (ORKA - Organisierung & Kampagnen)
Mag Wompel (Labournet Germany)
Kirsten Huckenbeck (Redakteurin express)
Willi Hajek (SOFA, tie-Bildungswerk e.V.)
Agnes Schreieder (ver.di-Projekt LIDL)
Bernd Riexinger (ver.di-Stuttgart)
Mia Lindemann (ver.di Mannheim/Heidelberg)
Gitta Süß-Slania (ver.di Mannheim/Heidelberg) (angefragt)
Inken Wanzek (ehem. Betriebsrätin Siemens-München) (angefragt)
Tom Adler (BR DC Stuttgart) (angefragt)

Termin: 3.-5. November 2006
Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der politischen Bildung e.V. (AFP e.V.) in Kooperation mit Labournet Germany und Uli Wohland („Organisierung & Kampagnen“, OrKa e.V.)
Ansprechpartner: Anton Kobel, Kirsten Huckenbeck
Ort: ver.di-Bildungszentrum Gladenbach
Seminarkosten: Ca. 300 Euro incl. Unterkunft und Verpflegung
Information und Anmeldung: express-Redaktion, Bleichstr. 9, 63065 Offenbach, Tel. (069) 88 50 06, email: express-afp@t-online.de; ein detailliertes Programm ist ab August erhältlich und wird auf Anfrage verschickt.


(Uli Wohland, 17.07.2006)


Verweise zu diesem Artikel: